Vom Eise befreit sind Strom und Bäche, ...
..., durch des Frühlings holden belebenden Blick.

Wieso kommen diese Worte aus der Feder von Goethe und nicht aus der eines russischen Schriftstellers? Ein paar frühlingshafte Sonnenstrahlen schaffen es hier zwar dicken Eisschichten auf den Fußwegen zu schmelzen aber für einen zugefrorenen Fluss müssen da andere Kaliber ran.

Samstag morgen früh um 7 wurde ich aus meinen nicht gerade wohlverdienten aber nichtsdestoweniger benötigten Schlaf gerissen. Ein Stakkato aus Explosionen während einiger Stunden in der ganzen Stadt zu hören. Nachdem ich halbwegs klar denken konnte und eine Eskalation der Krim-Krise auschließen konnte wurde mir schnell klar dass das Flusseis gesprengt wird.
Dem Ein oder Anderen kommt es mit Sicherheit komisch vor wieso man eine Eisschicht sprengen muss obwohl die schon dabei ist sich selber aufzulösen.
Wer auf die Karte schaut sieht dass der Fluss Tom von Süden nach Norden fließt. Im oberen Teil taut es somit eher als im unteren und sorgt dafür dass sich Treibeis wunderbar aufstauen kann und zu nem veritablen Hochwasser führen kann.
Aber abgesehen von der Gefahr ist es einfach nur genial anzusehen wie Eisschollen von bis zu einem Meter Dicke den ganzen Fluss bedecken und vorbeiziehen.

Praktischerweise war ich 2 Tage schon da um ein paar Bilder zu machen und kann euch einen kleinen Einblick vorher, währenddessen und nachher(ist in noch Arbeit) geben.

So sah es vor einem Monat aus,


und so vor ein paar Tagen.









Man beachte die riesig wie hässlichen Dämme aus grauem Stahlbeton. Ich hab mich lange gefragt wieso man die so potthässlich gestalten musste und hab das mit den üblichen Klischees die man so über die Russen hat abgetan.
Der Fluss ist innerhalb eines Tages um 10m gestiegen. An anderen Stellen am Ufer haben sich innerhalb von wenigen Minuten große Eistürme aufgebaut und Teile der Wege am Ufer mit Eis bedeckt. Irgendwie haben die Betonklötze danach mehr Sinn gemacht.









In Bewegung sieht das Ganze dann so aus.
eisdrift (MOV, 8,064 KB)

Überhaupt scheint diese Episode großen Symbolcharakter zu besitzen. Russland und die Russen sind nicht bekanntermaßen nicht gerade filigran und wenn Sachen „russisch“ gelöst werden ist das auch selten ein Lob.

Aber unter den hiesigen Bedingungen musste ich meine Vorstellungen über den Haufen werfen und die Sachen neu bewerten.
Der Winter ist arschkalt und die Sommer kurz. Da kann man noch so viel Mitleid mit Tieren haben an Pelz oder Daune kommt man hier nicht vorbei. Tomsk ist von Wald und Sümpfen umgeben wer da versucht im Einklang mit irgendwas zu leben versinkt, wird von Mücken erstochen, vom Bären gefressen oder erfriert einfach.
Ich bin ein großer Freund des Winters und doch nicht gerade kälteempfindlich aber nach einer gewissen Zeit hat ist mir das Wetter gehörig auf die Nerven gegangen. Und dabei war es schon ein ungewöhnlich warmer Winter. Man kann bei konstant unter -20°C zwar gemütlich überleben aber leben wird schwierig.
Die nächsten beiden größeren Städte die es wert sind besichtigt zu werden sind Novosibirsk und Krasnojarsk und die sind 5 bzw. 12Stunden mit Bus und Zug entfernt.
Wer also über die russische Mentalität redet sollte solche Dinge im Hinterkopf haben.
Mit Mitteleuropäischen Maßstäben kann man hier einfach nicht hantieren.
Die harten Umstände prägen die Kultur nach wie vor.

Wie es möglich ist dass hier trotzdem es hier so viele unglaublich hübsche Frauen gibt bleibt mir allerdings immer noch ein Rätsel. Gerüchten zufolge klagen einige meiner Kommilitonen schon über Nackenschmerzen vom vielen Umdrehen.